Verjährung

Der Drops ist gelutscht

Hurra - Die Staatsanwaltschaft kann meine Straftat nicht mehr verfolgen!

Verjährt oder nicht verjährt?

Das ist oft die Frage. Hier ein paar grundlegende Antworten.

Ob eine Straftat verjährt ist oder nicht, ist für den Betroffenen sehr oft von existenzieller Bedeutung.

Denn der Eintritt der Verjährung schließt die Ahndung der Tat aus, § 78 Abs.1 S.1 StGB. Das heißt: Ein (mutmaßlicher) Straftäter bleibt unbestraft. Justizia darf die Augenbinde nicht abnehmen.

Die Frage nach dem Eintritt der Verfolgungsverjährung ist aber in aller Regel nicht einfach zu beantworten. Die Prüfung der Verjährung gehört zu den entscheidenden Aufgaben eines Strafverteidigers.

Die Vorschriften


Die Verjährungsfristen sind in § 78 Abs.3 StGB festgelegt. Der

  • Beginn der Verjährungsfrist ist in § 78a StGB, das
  • Ruhen in § 78b StGB und die
  • Unterbrechung in § 78c StGB geregelt.
Die Ausnahme


Beim Mord braucht man diese ganzen Regelungen nicht:

Verbrechen nach § 211 StGB (Mord) verjähren nicht, § 78 Abs. 2 StGB. Ganz einfach.
Damit wolte der Gesetzgeber die Verjährung von ungesühnten Morden nationalsozialistischer Täter verhindern.

Die Fristen


Schon der § 78 Abs.3 StGB ist nicht ganz einfach zu lesen.

Entscheidend ist dabei jeweils das Höchstmaß der angedrohten Strafe: Es gilt die Frist von

  • 30 Jahre bei lebenslanger Freiheitsstrafe,
  • 20 Jahre bei mehr als 10 Jahre Freiheitsstrafe,
  • 10 Jahre bei mehr als 5 Jahre Freiheitsstrafe,
  • 5 Jahre bei mehr als 1 Jahr Freiheitsstrafe,
  • 3 Jahre im Übrigen.
Eine Beispielsfrist

Ganz einfach? - Nein!

Der einfachen Betrug, der nach § 263 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft wird.

Die Verjährungsfrist? Richtig, die Verjährungsfrist beträgt 5 Jahre.
So, und nun der besonders schwere Fall des Betruges: § 263 Abs. 3 StGB: Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahre. Verjährungsfrist 10Jahre? Falsch!. Weil es dabei um eine Schärfung des Grundtatbestands für den besonders schweren Fall geht; eine Strafzumessungsregel, die keinen Einfluß auf die Dauer der Verjährungsfrist hat, § 263 Abs. 4 StGB.

Ergebnis: Auch der Betrug im besonders schweren Fall verjährt nach 5 Jahren.

Beginn der Frist


Der „Start" ist in § 78a StGB geregelt: Beim Faustschlag ist das der Treffer, beim Ladendiebstahl das Einstecken in die Hosentasche. Aber wie sieht es aus beim Tätigkeitsdelikt, Erfolgsdelikt, konkreten Gefährdungsdelikt, bei mehrfacher Verwirklichung, beim Dauerdelikt, Unterlassungsdelikt, Versuch, Tateinheit, Tatmehrheit …

Bereits beim Beginn wird’s schwierig. Wenn die Tat bereits beendet ist (z.B. der Schuß), der Taterfolg (der Tod des Opfers) aber erst später eintritt, kommt es auf den letzteren Zeitpunkt an.

Ruhen der Frist


Ruht die Verjährung gem § 78b StGB, so beginnt die Frist gar nicht erst zu laufen. Oder sie läuft zwischendrin nicht weiter. Das Ruhen hat also einen Fristverlängerungseffekt und führt zu einer Nachspielzeit.

Der in der Praxis bekannteste Fall ist das Ruhen der Frist nach einem erstinstanzlichem Urteil, § 78b Abs.3 StGB. Wenn die Verteidigung die Verjährung im Blick hat und das Urteil der ersten Instanz nicht verhindern kann, hat sie „verloren“. Denn danach ruht die Verjährungsfrist bis zum jüngsten Gericht.

Auch im Sexualstrafrecht gibt es, politisch gewünscht, eine extrem lange Verlängerung.

Wer weitere Ruhensgründe sucht, mag den § 78 b StGB lesen.

Unterbrochene Frist


Die Unterbrechung ist sowas ähnliches wie das Ruhen, nur viel schlimmer und noch komplifizierter.

Wird der Lauf der Verjährung unterbrochen, fängt die Frist wieder bei Null an, zurück an den Start.

Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem, § 78c Abs. 3 S.1 StGB.
Wie die Staatsanwaltschaft oder das Gericht diesen Neustart der Verjährungsfrist erreicht, verraten die 12 (!) Unterbrechungstatbestände des § 78c Abs. 1 StGB. Das Gemeine daran ist: Der Beschuldigte merkt meist gar nichts davon. Denn wenn der Richter die Vernehmung des Beschuldigten anordnet (§ 78c Abs.1 Ziff.2 StGB), heißt das nicht, daß diese Anordnung beim Beschuldigten auch ankommt. Sie steht erst einmal nur in der Gerichts- oder Ermittlungsakte, in vielen Fällen auch nur handschriftlich hingekritzelt.

Ohne Unterbrechung


Ein Beispiel für den Wahnsinn dieser Vorschrift: Schauen Sie mal in die Ziff. 6 und 7 des § 78c Abs.1 StGB. Und dann diesen Fall.

Der Staatsanwalt erhebt Anklage. In der Anklageschrift konkretisiert er die Tat nur unzureichend, es liegt ein Verstoß gegen das Bestimmheitserfordernis des § 200 Abs.1 S.1 StPO vor . Damit ist die Anklage unzulässig.

Rechtmäßigkeit und Fehlerfreiheit sind aber gar keine Voraussetzungen für die Unterbrechungswirkung. Also: Falsche Klage? Ist mir egal!
Nicht ganz
. Erst wenn die Anklage sich als unwirksam herausstellt, verliert sie ihre die Unterbrechungswirkung. Das sei hier der Fall, sagt die alles beherrschende Meinung. Das kann man aber auch anders sehen …

Merke: Rechtswidrigkeit reicht nicht, erst die Nichtigkeit hat hier die gewünschte Wirkung.

Auch ein Eröffnungsbeschluß (Ziff. 7), an dem ein nach § 22 StPO ausgeschlossener Richter mitgewirkt hat, unterbricht die Verjährung – trotz dieses erheblichen Mangels. So der 3. Senat des BGH in seiner unendlichen Weisheit (BGHSt 29, 351; NJW 1981, 133).

Ein Jurastudium reicht also noch lange nicht für das Verständnis dieser Unterbrechungsregeln.

Akte zu und weg damit!

Aber alles hat ein Ende, auch die Verjährungsfrist. Diese rettende Vorschrift findet man – aber erst, wenn man sie in den unendlichen Tiefen der Absätze intensiv gesucht hat – in § 78c Abs.3 S.2 StGB: Nach dem Doppelten der gesetzlichen Verjährungsfrist, mindestens aber nach 3 Jahren, erreicht man das Ziel.

Die Nagelprobe am konkreten Fall


Die doppelte Dauer der Verjährungsfrist führt also zur absoluten Verjährung. Am Beispiel: Ein Betrug nach § 263 Abs.1 StGB (Maximalstrafe 5 Jahre) ist absolut verjährt nach 10 Jahren. Auch ein gewerbsmäßiger oder ein bandenmäßiger Betrug nach § 263 Abs.3 StGB.

Dann weint der Staatsanwalt.

Denn Abs. 3 ist nur eine Strafzumessungsregel, kein neuer (Qualifikations-) Tatbestand.

Kapiert?


Wenn Sie meinen, jetzt alles verstanden zu haben, dann gibt es jetzt etwas für Fortgeschrittene: Prüfen Sie mal die absolute Verjährungsfrist für einen gewerbsmäßigen Bandenbetrug nach § 263 Abs.5 StGB. 20 Jahre, richtig?

Also mein Hinweis:

Die Verjährungsprüfung ist eine der Standardaufgaben einer professionellen Verteidigung. Sie gehört gleichzeitig aber auch den anspruchsvollsten Tätigkeiten eines Strafverteidigers.

Wer also meint, das bisschen Strafrecht kann man mal nebenher machen, traut sich bestimmt auch das:

Sie gehen mit verbundenen Augen über eine stark befahrene Verkehrsstrasse?


Die Verjährungsprüfung ist zu kompliziert, um sie einem strafrechtlichen Laien zu überlassen.

Fragen Sie mich!


Ihr Ansprechpartner

Rechtsanwalt Klaus W. Spiegel

Rechtsanwalt Klaus W. Spiegel hilft Ihnen bei Ihren Rechtsfragen!

Tel: 0931 50816




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