Aussage gegen Aussage
Aussage gegen Aussagesituation
Ihr Anwalt für Strafrecht Klaus W. Spiegel aus Würzburg erklärt Ihnen die Rechtslage.
Die belastende Aussage eines Zeugen steht gegen die bestreitende Aussage des Angeklagten – und jetzt?
Es kommt in der gängigen Strafrechtspraxis nicht selten vor, dass eine rechtliche Konfliktsituation ohne weitergehende Beweismöglichkeiten entsteht.
In derartigen Situation liegt dann die sogenannte “Aussage gegen Aussage” Ausgangslage vor. In der Regel steht dabei die Aussage eines vermeintlich Betroffenen gegen eine beschuldigte Person bzw. eines Angeklagten.
In diesem Zusammenhang steht jedoch stets die Frage im Raum, welcher Aussage Glauben geschenkt wird. Die wenigsten Menschen, die sich einmal in einer solchen Situation befunden haben, kennen jedoch die genauen rechtlichen Rahmenumstände im Zusammenhang mit dieser Situation.
Die Ausgangslage aus psychologischer Sicht
Für den Zeugen und den Angeklagten gestaltet sich in einer derartigen Situation jeweils eine vollständig andere Ausgangslage.
Das vermeintliche Opfer bekräftigt durch seine Aussage den Vorwurf gegen die beschuldigte Person bzw. den Angeklagten während hingegen die beschuldigte Person bzw. der Angeklagte mit seiner Aussage die gegen ihn erhobenen Vorwürfe „bestreitet.“
Auch das Schweigen einer beschuldigten Person bzw. eines Angeklagten wird rechtlich als das Bestreiten der Vorwürfe angesehen, da das Stillschweigen juristisch ausdrücklich keine Bewertung finden darf.
Beide Personen haben jedoch aus psychologischer Sicht die gleiche Grundlage. Das Opfer empfindet sich als Opfer einer vermeintlichen Straftat und die beschuldigte Person, welche die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestreitet, empfindet sich ebenfalls als Opfer. Da in einer derartigen Situation keine anderweitigen Beweismittel in Form von Zeugenaussagen oder DNA-Spuren etc. zur Verfügung stehen, ist die “Aussage gegen Aussage” Situation rechtlich betrachtet überaus schwierig.
Der rechtliche Grundsatz
Der Gesetzgeber kennt gerade im Zusammenhang mit dem Strafrecht den rechtlichen Grundsatz mit der Bezeichnung “in dubio pro reo”.
Dieser Grundsatz ist dem lateinischen Sprachgebrauch entnommen und kann im deutschen Sprachgebrauch mit “im Zweifel für den Angeklagten” übersetzt werden. Obgleich die Aussage gegen Aussage Situation durchaus den Verdacht nahelegt, dass der rechtliche Grundsatz “im Zweifel für den Angeklagten” immer zur Anwendung kommen müsste, so ist dies in der gängigen Praxis jedoch nicht der Fall.
Lediglich aufgrund des Fehlens von Beweisen führt damit eine derartige Situation nicht immer auch zu einer Verfahrenseinstellung oder einem Freispruch der beschuldigten bzw. angeklagten Person.
In einem Gerichtsverfahren gehört es zu den Hauptaufgaben eines Richters festzustellen, inwieweit die Aussagen der Beteiligten als glaubwürdig anzusehen sind. Diese Beurteilung ist in derartigen Ausgangssituationen überaus wichtig, da auf dieser Grundlage letztlich eine Entscheidung seitens des Richters getroffen werden muss.
Die Entscheidung des Richters erfolgt aufgrund der Überzeugung, welche der Richter im Verlauf eines Strafprozesses erlangt hat. Als Überzeugung wird in diesem Zusammenhang die subjektive, individuelle und persönliche Gewissheit in Verbindung mit der sogenannten objektiven Wahrheit angesehen. Vereinfacht ausgedrückt obliegt es den „Parteien“ eines Strafprozesses, in einem Verfahren mit klassischer Aussage gegen Aussage Konstellation den Richter davon zu überzeugen, was genau geschehen ist. Die beschuldigte bzw. angeklagte Person könnte sich natürlich in einem derartigen Verfahren auf den Grundsatz “in dubio pro reo” berufen, allerdings ist dies rechtlich betrachtet zu kurz gegriffen. Der Grundsatz “im Zweifel für den Angeklagten” stellt rechtlich betrachtet keine Beweisregel dar, es handelt sich vielmehr um eine sogenannte Entscheidungsregel. Ein Richter ist nicht dazu verpflichtet, sich dieser Entscheidungsregel auch tatsächlich zu beugen. Es ist durchaus denkbar, dass ein Richter sich nicht von der Aussage der beschuldigten bzw. angeklagten Person überzeugen lässt und dementsprechend den Aussagen des Opfers mehr Glauben schenkt. In diesen Fällen wäre dann eine Verurteilung die Folge, auch wenn es keine objektiven Beweismittel für die Schuld des Täters gibt.
Die gerichtlichen Entscheidungswege
Um eine Entscheidung in einem Prozess treffen zu können gehört es zu den Hauptpflichten des Richters bzw. Verfahrensvorsitzenden, eine Überzeugung zu erlangen und dementsprechend gemäß der Überzeugung zu entscheiden. Der Richter ist grundsätzlich in seiner Entscheidung vollständig frei und kann das Ergebnis von der Beweisaufnahme, in welcher die Aussagen der Beteiligten gehört werden, auch frei deuten.
Die rechtliche Grundlage hierfür stellt der § 261 Strafprozessordnung (StPO) dar.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Richter durch die Freiheit reine Willkür in seinem Sinne walten lassen darf.
Auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) gibt es feste Kriterien im Zusammenhang mit der Beurteilung von Aussagen in Verbindung mit der Glaubwürdigkeit.
Die Kriterien der Bewertung einer Aussage im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit
- Die Aussagekonstanz im Hinblick auf das sogenannte Kerngeschehen
- Die Stimmigkeit der Aussage sowie die Folgerichtigkeit
- Die Detailtreue der Aussage im Hinblick auf Ausgefallenem und Nebensächlichkeiten
- Die Art der Kommunikation in Verbindung mit der Komplikation sowie der Interaktion
- Die Art der Schilderung der erlebten Ereignisse im Hinblick auf die psychischen Vorgänge in Form von Sorgen, Gefühlen oder Ängsten
- Das etwaige Vorliegen eines sogenannten Falschbelastungsmotivs (Eifersucht, Rache, persönliche Abneigung)
- Der Grund für die Aussage (mögliche Einflussnahme durch dritte Personen)
- Die Kompetenz der Aussage (kindliche Zeugen, psychische Auffälligkeit der aussagenden Person).
Ihr Strafverteidiger aus Würzburg Klaus W. Spiegel rät:
In einem Strafverfahren gehört es fast schon standardmäßig zu einer festen Strategie der Rechtsanwälte, die Glaubhaftigkeit des Belastungszeugen infrage zu stellen.
Bei einer Aussage gegen Aussage Situation kann diese Strategie durchaus erfolgversprechend sein. Es gibt diesbezüglich durchaus Hilfsmittel wie beispielsweise das sogenannte Glaubhaftigkeitsgutachten, welches von einem erfahrenen Gutachter erstellt wird. Ein derartiges Gutachten unterstützt das Gericht in seiner Entscheidungsfindung und kann den Unterschied ausmachen, wobei dieses Gutachten natürlich keine Garantie auf einen Erfolg in dem Verfahren darstellt.
Die letzte Entscheidung obliegt dem Strafgericht, allerdings sollte keine beteiligte Person, sei es der Belastungszeuge oder der Angeklagte, das Strafverfahren ohne einen erfahrenen Rechtsanwalt angehen.
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